Argyle Secrets, The

NOIR CITY 21 - Oakland 2024



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Eddie Muller


Wenn es Nach wird in Paris


Film Noir Collection Koch Media GmbH


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Bewertung
****
Originaltitel
The Argyle Secrets
Kategorie
Film Noir
Land
USA
Erscheinungsjahr
1948
Darsteller

William Gargan, Marjorie Lord, Ralph Byrd, Jack Reitzen, John Banner

Regie
Cyril Endfield
Farbe
s/w
Laufzeit
64 min
Bildformat
Vollbild

 


 

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Washington, District of Columbia: Nach Rückkehr von einer Reise liegt der Starjournalist Allen Pierce (George Anderson), einst beim Washington Herald beschäftigt, unter der Obhut Dr. Van Selbins (Herbert Rawlinson) wegen Herzbeschwerden seit vier Tagen im Wellwin General Hospital. Längst haben sich im Besucherzimmer andere Journalisten und Pressefotografen versammelt, denn Pierce hält seit Wochen die US-Öffentlichkeit mit einer Kolumne über das legendäre Argyle-Album in Atem. Während des Zweiten Weltkriegs gab es in den USA Kollaborateure, die mit Köpfen des von den Nationalsozialisten etablierten Dritten Reichs Geschäfte tätigten, solange unklar war, wer den Krieg überhaupt gewinnen könnte. Solche Profiteure am Leiden von Millionen und an Kriegsschauplätzen auf mehreren Kontinenten, wollen natürlich anonym bleiben, doch sind ihre Namen im sogenannten Argyle-Album verzeichnet, von dem Pierce Kenntnis hat. Erstmals dürfen am heutigen vierten Tag Besucher zu Pierce ins Zimmer eintreten, doch will letzterer nur mit Harry Mitchell (William Gargan) reden, der ihm vom Chefredakteur des Washington Heralds empfohlen wurde. Sowohl Van Selbin als auch Allen Pierces Sekretärin Elizabeth Court (Barbara Billingsley) verabschieden sich, und Mitchell bleibt im Krankenzimmer mit dem Kollegen allein. Während er dem Bericht seines Vorbilds lauscht, hat Pierce jedoch einen Herzanfall. Harry Mitchell hastet ins Badezimmer, um dem Patienten ein Glas Wasser zu holen, als er die Tür sich öffnen hört…

 

“That’s the trouble with doctors: They think, everybody is interested in living as they are in keeping them alive.” Für das Poverty-Row-Studio Film Classics Inc. drehte der 33-jährige Autor und Regisseur Cyril Endfield seinen dritten Kinofilm – mit einem minimalen Budget von 100.000 US-Dollar und acht Tagen Drehzeit und mit einer Riege von Darstellern aus der zweiten Reihe. Sein Drehbuch hingegen beschert einige knackige Einzeiler und sein Veteran hinter Kamera Mack Stengler (Todeszelle Nr. 5, USA 1948), der im Jahr 1948 insgesamt dreizehn B-Produktionen aufs Zelluloid bannte, versteht sich darauf, aus bescheidenen Bedingungen das Maximum herauszuholen. Mit einem Erzähler aus dem Off, einer fast ausschließlich bei Nacht spielenden Filmhandlung, der kompetent gespielten Femme fatale Marla (Marjorie Lord) und seinem in 64 Minuten schier atemlos dahin galoppierenden Kriminalfall ist The Argyle Secrets längst nicht perfekt und doch  ein kurzweiliger und seitens der Darsteller und ihrer Rollencharaktere überzeugender Film Noir aus der Liga der B-Produktionen. Im Zentrum steht sein privater Ermittler Harry Mitchell, der ungleich Sam Spade in John Hustons Die Spur des Falken / Der Malteser Falke (USA 1941), an den die Jagd nach einer aus Kriegswirren von Europa in die USA gelangten Kostbarkeit natürlich erinnert, kein Privatdetektiv sondern ein Journalist ist. Der investigative Journalist, der im Dienst eines moralischen Gebots agiert, das ihm die eigene Staatsbürgerschaft in der Wiege der Demokratie als Verantwortung zuschreibt, ist im Film jener Zeit ein Neuling. In Henry Hathaways Kennwort 777 (USA 1948) verkörpert James Stewart den Reporter P.J. McNeal, in Joseph M. Newmans Abandoned (USA 1949) spielt Dennis O’Keefe Mark Sitko, einen Zeitungsschnüffler par excellence, und erneut Cyril Endfield etablierte in seinem Film Noir Der Gangsterboss von Rocket-City (USA 1950) Dan Duryea als Journalist und sogar Zeitungsinhaber Mike Reese. Einen Skandal aufzudecken und die US-amerikanische Öffentlichkeit über dunkle Machenschaften in Wirtschaft und Politik ins Bild zu setzen, die mächtige und geachtete Amtsträger womöglich vom Sockel stieße, das ist der Tenor in all solchen Werken des klassischen Film Noirs.

 

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“Sane and respectable people stayed away from places like this. What was I doing here?” Was der Film mit seiner etwas über einstündigen Laufzeit an obskuren Orten und Rollencharakteren auffährt, ist bemerkenswert. Alles in allem ist The Argyle Secrets trotz seiner Obskurität, so lief der Film kaum irgendwo außerhalb der USA im Kino, indessen er in seiner Heimat nach Anbruch der McCarthy-Ära der Vergessenheit anheimfiel, kein zu Unrecht ignorierter Meilenstein des Filmstils. Dennoch ist er für seine Zeit und für sein Budget in mehrfacher Hinsicht von Interesse, als Kriminalfilm der Film-Noir-Tradition zudem unterhaltsam. Etwa 10 bis 15 Minuten zusätzliche Laufzeit hätten der Geschichte geholfen, einige ihrer Figuren besser ein-/auszuführen und die teils komplexen Verhältnisse der Handlung zu sortieren – Privatdetektiv Archibald “Panama Archie” Boleyn (Jack Reitzen), der Ausrüster für Schiffsbergungen Jor McBrod (Alex Frazer) oder Gangster Gil Hobrey (Mickey Simpson) hätten auf der Leinwand alle mehr Zeit verdient. Cyril Endfield geriet nach seinem sozialkritischen Film Noir Aufruhr in Santa Sierra (USA 1950) ins Visier des House Committee on Un-American Activities (HUAC), wurde mit Berufsverbot belegt und wanderte 1951 nach England aus, wo er bis in die frühen 70er Jahre als Autor, Regisseur und Produzent für Fernsehen und fürs Kino erfolgreich blieb.

 

Bis heute (2022) gibt es weltweit keine BD- oder DVD-Edition des Werks, das in Online-Portalen in einer bild- und tontechnisch miserablen Fassung mit Originalton ohne Untertitel, ungekürzt und im korrekten Bildformat zur Verfügung steht. Im Januar 2022 wird jedoch eine dank Eddie Muller und seine Film Noir Foundation, San Francisco, und durch das UCLA Film & Television Archive hochwertig restaurierte Fassung des extrem seltenen und obskuren Werks auf dem zum 19.  Mal stattfindenden Filmfestival Noir City im Grand Lake Theater in Oakland, Kalifornien, wiederaufgeführt werden.

 

 

Film Noir | 1948 | USA | Cyril Endfield | Peter Brocco | Robert Kellard | William Gargan

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