23 Schritte zum Abgrund

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Bewertung
****
Originaltitel
23 Paces To Baker Street
Kategorie
Film Noir
Land
USA
Erscheinungsjahr
1956
Darsteller

Van Johnson, Vera Miles, Cecil Parker, Patricia Laffan, Maurice Denham

Regie
Henry Hathaway
Farbe
Farbe
Laufzeit
103 min
Bildformat
Widescreen
 

 

© Twentieth Century Fox Film Corporation
 
London: Hoch über der Themse haust der erblindete Dramatiker Philip Hannon (Van Johnson), ein US-Amerikaner, der vor einigen Monaten von New York nach London übersiedelte, wo sein aktuelles Stück ein Erfolg ist. Am heutigen Nachmittag diktiert er einige Änderungen am Text in ein Tonbandgerät und übergibt das Band seinem Diener Bob Matthews (Cecil Parker), damit jener ihn transkribiert und dann zum Theater bringen lässt. Da klingelt es unerwartet und vor der Tür steht Hannons ehemalige New Yorker Sekretärin Jean Lennox (Vera Miles), zugleich seine ehemalige Verlobte. Hannon empfängt sie, scheint kurzfristig über ihr Erscheinen sogar erfreut, macht der Frau, die ihn stets liebt, jedoch in seiner bitter sarkastischen Art schnell begreiflich, dass es aus sei zwischen ihnen und er nicht vorhabe, den Faden ihres Verhältnisses wieder aufzunehmen. Er verabschiedet sich in einen in der Nähe gelegen Pub mit Namen The Eagle, wohin er den Weg als Blinder auch allein findet, und überlässt es Matthews, für Jean ein Taxi zu rufen. Gemeinsam sehen die beiden, wie Hannon die Straße überquert und verschwindet. Jean erkundigt sich kurz nach Hannons Trinkgewohnheiten, die immerhin regelmäßig sind, dann macht sie sich auf den Weg. Im Pub wird Hannon zwischenzeitlich von der Wirtin (Estelle Winwood) begrüßt, die ihm einen doppelten Scotch serviert. In der durch eine Glaswand von Hannons Tisch getrennten Ladies Bar, nehmen gleichsam Rücken an Rücken mit dem Autor ein Mann und eine Frau Platz. Erst unfreiwillig belauscht Philip Hannon deren Gespräch, das ihn zunehmend in Bann schlägt…
 
“Although Henry Hathaway was a pioneer of film noir, 23 Paces to Baker Street probably can't be classified as such”, stellt Mike Grost in seinen detallierten Rezensionen zum Werk des Regisseurs fest. Er widerspricht sich selbst, indem er schreibt, dass die Beziehung der Rollencharaktere Van Johnsons und Vera Miles’“like the hero and heroine of The Dark Corner (USA 1947) und ihre Gegenspieler”like the menacing bad guys of Hathaway's Kiss of Death (USA 1947) gestaltet seien. Grosts Haupteinwand ist, dass Philip Hannon Bildungsbürger sei und „his surroundings of secure, middle class gentility do not qualify as noir.“ Was ist dann mit der Dramatikerin Myra Hudson in Ehe mit dem Satan / Maskierte Herzen (USA 1952), was mit dem Drehbuchautor Dixon Steele in Ein einsamer Ort (USA 1950) oder mit dem Schriftsteller Richard Harland in Todsünde (USA 1944)? Sie sind wohlhabende Bürgersleute, die durch eine klar mitverursachte Kehre ihres Lebens in eine zugespitzte Situation geraten. Seit Verlust seines Augenlichts, dessen Hintergrund ungeklärt bleibt, ist Philip Hannon zynisch und selbstdestruktiv. Seinen Erfolg am Theater kommentiert er abschätzig: “Bitter? Me? I’m a successful playwright who’s just had a hit. A big hit. What do I got to be bitter about?“ Die Liebesbeziehung zu seiner Sekretärin Jean Lennox hat er beendet, indem er sie entließ. Mit Übersiedlung nach London hofft er, seiner Vergangenheit zu entrinnen, und der Whisky besorgt den Rest. Allzuweit von anderen Film-Noir-Charakteren, will mir scheinen, ist Philip Hannon nicht entfernt, obgleich sein zentrales Problem nicht Armut ist. Auch dass 23 Schritte zum Abgrund 1956 in Farbe gedreht wurde, nimmt ihm kaum die Legimitation, als Film Noir gelten zu können. Dies wurden Kuss vor dem Tode (USA 1956) oder Straße des Verbrechens (USA 1956) im gleichen Jahr ebenso. Während für jene die Film-Noir-Veteranen Lucien Ballard und John Alton hinter der Kamera standen, sorgt bei Henry Hathaways Film die Kameralegende Milton Krasner für urbane Bilderwelten an Originalschauplätzen.
 
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© Twentieth Century Fox Film Corporation
 
"Don't get yourself killed proving you want to live." Im Vergleich mit Hathaways erstem Film Noir in Farbe, dem durch Mitwirkung Marilyn Monroes ungleich erfolgreicheren Niagara (USA 1953), ist 23 Schritte zum Abgrund dennoch näher am wohligen Schauer jener Alfred-Hitchcock-Thriller à la Das Fenster zum Hof (USA 1954), der zumindest teilweise Pate gestanden hat. Dort ist L.B. Jefferies wegen eines gebrochenen Beins an den Rollstuhl gefesselt - hier ist Philip Hannon auf seinen Stock angewiesen. Der eine sieht, was er nicht sehen darf; der andere hört mit, was nicht für ihn bestimmt ist. Neben dem überaus stimmigen Trio der Hauptakteure überzeugen auch die charaktervollen Nebendarsteller. Beizeiten etwas altbacken, mit Blick auf seine Geschichte jedoch raffiniert und stimmig, ist 23 Schritte zum Abgrund ein lohnender Geheimtipp. Van Johnson und Vera Miles standen 1959 für den britischen Film Noir Jenseits des Rechts / Hinter diesen Mauern (UK 1959) ein zweites Mal gemeinsam vor der Kamera. Der Thriller 23 Schritte zum Abgrund hatte wiederum unübersehbar Einfluss auf Terence Youngs Warte, bis es dunkel ist (USA 1967).
 
Die in der Reihe Bounty Noir Classics erschienene, australische DVD-Ausgabe (2011) beinhaltet den Film ohne Untertitel oder Extras in einer sehr guten Bildqualität, ungekürzt und im Originalformat. Inzwischen gibt es auch englische, italienische und spanische DVD-Editionen des hierzulande stets obskuren Klassikers.
 

 

Film Noir | 1956 | USA | Henry Hathaway | Milton R. Krasner | Martin Benson | Maurice Denham | Terence de Marney | Van Johnson | Vera Miles

Gespeichert von Gast (nicht überprüft) am 16. Mai 2015 - 16:38

Permanenter Link

Am 15.05.2015 ist der Film auch als Pidax Film-Klassiker mit deutschen und englischen Ton erschienen. Ebenfalls ungekürzt und sehr gut restauriert im Originalformat. Leider ohne Untertitel, dafür mit Booklet in Form eines verkleinerten Faksimile-Reprints der "Illustrierten Film-Bühne".

Will

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